Unser Fazit nach einem Jahr auf der Seidenstraße

05.05.2019 von Micha

 

Wir sind nun am Ende unserer Reise angelangt und können kaum glauben, wie sehr die Zeit doch geflogen ist. Wir haben so unglaublich viel gesehen und erlebt und freuen uns, dass uns einige treue Begleiter auf unserer homepage, facebook und Instagram gefolgt sind und so einiges davon miterleben konnten. Am Anfang dachten wir, es würde kaum einer unsere Texte lesen und bekamen aber mit der Zeit mit, dass es doch so einige sind. Wir waren sehr überrascht darüber, wie regelmäßig viele Leute, (auch viele von denen wir es gar nicht so erwartet hätten) unsere Blogs gelesen, Storys auf Instagram angeschaut und Bilder fleißig geliked haben. Das hat uns natürlich sehr gefreut und auch angespornt den Blog weiter zu führen, denn es ist nicht ungewöhnlich, dass eine homepage mit der Zeit einschläft, weil es doch mehr Arbeit macht als man denkt. Dankeschön an dieser Stelle für Euer Interesse. Und wir schafften es sogar mit unserer homepage unter die besten 20 bei der Wahl zum „besten offroadblog“ von "Matsch und Piste", und das obwohl wir beide nicht gerade die begnadetsten IT Nerds sind, um nicht zu sagen überhaupt keine IT Nerds.

Wir hatten, wie das auch bei jedem anderen im vergangenen Jahr so war „gute Zeiten“ und auch „schlechte Zeiten“. Das „Overlandlife“ besteht nicht nur aus endlosem Urlaub und endlosem Sommer. Auch wenn das manchmal danach aussehen mag und auch manchmal tatsächlich so ist. Sogar gearbeitet haben wir zwischendurch. Meiky wurde zum Kameramann und Co-Regisseur und ich zum Referent über Krankheiten, die es in den bereisten Ländern gibt. Heraus kamen in Zusammenarbeit mit meinen Kollegen in Deutschland acht tolle Filme aus Zentralasien, dem Iran und dem Oman für meinen Arbeitgeber.

Manchmal da warteten wir und warteten – und es kam kein besseres Wetter (vor allem auf unserer Rückreise befand sich eine schlecht Wetterfront über uns, beginnend in der Mitte des Irans, die uns ca. sechs/sieben Wochen bis sogar heim nach München verfolgte) und da unser Leben hauptsächlich draußen stattfindet mag man (vor allem Meiky unser „Outside-Manager“) dann irgendwann einfach nicht mehr in der Kälte stehen. Die Standheizung lief auf Hochtouren und es gab Zeiten, in denen wir 23 von 24 Stunden am Tag in der Wohnkabine verbrachten, in der man sich zum Glück auch bei geschlossenem Dach Innen aufhalten kann (viel besser als beim alten Landy).

Und manchmal fährt man und fährt man und es kommt kein schöner oder gar geeigneter Schlafplatz und manchmal, wenn man denkt man hat ein absolut einsames Plätzchen gefunden und möchte einfach nur seine Ruhe haben, kommt ein Auto und stellt sich direkt neben einen mit lauter bumbum Musik (ok – in Südamerika war das schlimmer) oder Leute, die einem ein Loch in den Bauch fragen: „Skolka? Skolka?“ wollte man zwischen Georgien und Usbekistan wissen: was kostet dein Auto? (Komische Frage, oder?) Oder „Adkuda?“ Woher kommt Ihr? Gerne gesagt wurde auch „Hello Mister, from where?“ aber das war in anderen Regionen. Eine unserer häufigsten Fragen war hingegen: „Diesel?“ Mindestens genauso oft hätte ich im Iran auch fragen können: „Käse?“ aber dazu fehlte mir das Wort und nach den ersten käselosen Läden auch die Motivation und so mussten wir uns wochenlang mit Schaibletten Käse zufriedengeben. Anders als bei der Rückfahrt wo wir quasi kiloweise Käse aus den Emiraten importierten.

Manchmal ist man auch krank und hinterlässt verschiedenfarbige Spuren im Schnee rund um das Auto, während man befürchtet zu erfrieren oder von einem wilden Tier gefressen zu werden, oder kann sich plötzlich nur noch auf eine so seltsame Art fortbewegen, dass die zufällig auf der Fähre mitreisende Rentnergruppe mit Tipps gegen Rückenbeschwerden und dazugehörigen Tabletten hilfsbereit aufwartet (als ob wir nicht alles dabei gehabt hätten ;-)

         Manchmal gibt es Klos in denen man die Goldmedaille im Zielen erhalten müsste, wenn man die klitzekleine Aussparung trifft (kann man nicht beschreiben – muss man gesehen haben, oder auch lieber nicht).

Und wenn man einfach kein Fleisch mehr sehen kann, (weil es nichts anderes gibt) ist es auch interessant, wenn jemand sagt: „Are you vegetarian? But there is only a liiiittle bit meat inside“. Der allseits beliebte Klassiker auch: „Do you sell vegetarian food?“ – „Hm , yes we have chicken“.  Aber nicht nur über das wunderten wir uns, sondern auch über Menschen in Armenien, die unter den allgegenwärtigen, oberirdischen Gasleitungen Feuer legten, über die wahnsinnigen Autofahrer im Iran und auch die in Georgien, die fast ausschließlich in Kurven überholten, über Tomatenstände, die uns keine Tomaten verkaufen wollten, über Polizeiautos aus Pappe am Straßenrand von der Türkei bis hin nach Zentralasien, die extrem seltsame Stadt Asgabat in Turkmenistan, korrupte Polizei in Kirgistan und darüber, dass in Armenien Straßen so dampfen können, dass sie einen Nebel mit unter 50 Metern Sichtweise erzeugen, während neben der Straße klare Sicht ist.

Und wir waren überrascht über das mega, wirklich megaleckere Essen in Georgien, die Neugier und Gastfreundschaft der Iraner (und auch der Kasachen gleich auf Platz 2) uns als fremde Menschen in ihr Haus einzuladen, die Ordentlichkeit und Sauberkeit der Menschen im Wakhan Corridor an der afghanischen Grenze in Tadschikistan, die sich trotz ärmlicher Verhältnisse richtig schöne Dörfer angelegt haben, dass die Russen in Russland (zumindest da wo wir waren) nicht aussahen wie Russen (bis auf den Zwilling von Putin, der an der Grenze vor uns stand), über die Freude von drei Iranern, als ich Ihre Neujahrsgoldfische fotografieren wollte, darüber, dass die Emirate mehr zu bieten haben als wir angenommen hatten, dass es subtropische Gebiete in Georgien gibt, die World Nomad Games in Kirgistan, all die blauen Kuppeln; Moscheen und Iwane in Usbekistan und im Iran, über einen orangefarbenen Bach in Georgien und Schnaubi unser Kälbchen, die Anzahl der Kamele in Dhofar im Süden Omans, und die Schönheit der Rub al-Khali, sowohl in den Emiraten als auch im Oman, über die weißen Sanddünen im Oman, über einen Taubstummen, der sich um eine weiße Katze mit blauen Augen kümmert (welche normalerweise taub sind), über ein nur 3 Minuten Feuerwerk am Burj Khalifa zu Silvester und warum es auf der Fähre nach Odessa Wurstwasser zu trinken gab? Überrascht über einen rosa See in der Türkei, die Höhlen Krizna und Skocjan in Slowenien, den Derweze Gaskrater, die Sicht auf den Hindukusch und Afghanistan, und zuletzt waren wir auch überrascht von unserer Verhaftung in Russland.

Und traurig waren wir über die Arbeiter in den Emiraten, die sich ein Bett in den „Workercities“ mit der anderen 12 Stundenschicht teilen müssen, die Kartonsammler in Dubai, und dass dort die Pässe der Arbeiter aus Indien und Pakistan vom Arbeitgeber einbehalten werden, den Anschlag auf die Radfahrer in Tadschikistan, Millionen von Goldfischen, die jedes Jahr nach Neujahr im Iran ausgesetzt werden, über Plastik und verbrennenden Müll, vor allem in der Türkei, wo es am meisten rumfliegenden Müll gab und über die Hunde in der Türkei, die abgeschnittene Ohren hatten, die Ressourcenverschwendung in Dubai, die Opfer der Geiselnahme an der Schule in Beslan in Nordossetien und nach dem Besuch des Genozidmuseums in Yerewan über die Geschichte der Armenier. Traurig waren wir auch über die Geschichte Bergkarabachs, die von Menschen verursachte ökologische Katastrophe des Aralsees und über das System in Turkmenistan. Und zuletzt auch über den Schlackensee einer Kupfermine in Rumänien, der in den giftigsten Farben erstrahlt.

Ja und wir hatten natürlich viele gute und warme Zeiten und werden es sehr vermissen jeden Tag etwas anderes zu erleben. Wir hatten viel Spaß mit anderen Overlandern und Reisenden, auch wenn wir meist lieber alleine unterwegs sind, weil das einfach unser Ding ist. Wir hatten Besuch aus Deutschland von Meikys Mutter und Michas Freund Stefan. Es war so toll Zentralasien und den Iran zu entdecken und wir möchten die Zeit einfach nicht missen.

Und wir trafen Menschen: Reisende und Einheimische. Menschen mit spannenden, bewegenden oder oft auch traurigen Geschichten. Eine Frau, die ein Hostel im Norden von Armenien betreibt, deren Sohn an der Front im Krieg mit Azerbaijan ums Leben kam und sie danach ihren Beruf als Musiklehrerin für Kinder nicht mehr ausüben konnte und mit Unterstützung des Staates ein Hostel eröffnete. Ein Motorradfahrer, der seine große Liebe verlor und darüber ein Buch schrieb, einen jungen Mann, der nach einem schweren Verkehrsunfall an einer spastischen Lähmung erkrankte und seitdem mit seiner Mutter die Welt bereist. Eine Frau von den Philippinen, die ihr Kind auf den Philippinen zur Welt bringen musste, weil es in den Emiraten nicht erlaubt ist uneheliche Kinder zu haben, eine Iranerin, die ihre Zwillingsschwester bei dem verheerenden Erdbeben in Bam verloren hatte, einen Mann dessen Sohn Suizid beging und der durch die Welt reist um auf das Tabuthema Depressionen aufmerksam zu machen, ein englisches Paar, immer auf der Flucht vor Kälte oder Hitze mit denen wir seeehr gerne unterwegs waren, eine Frau, die sich ihre laaangen Haare abgeschnitten hatte weil sie eine lange Reise machen wollte, dann aber doch nicht mehr so lange gereist ist, iranische Müllsammler, die deutlich besser englisch konnten als so manch anderer, ein kasachisches Mädchen, das englisch studierte und nun einen youtube Channel aufmacht, einen Kurden, der traurig über Erdogans Wiederwahl war, eine Familie, die „Iran is great“ auf ihrem Wohnmobil stehen hat und deren Wohnung in Deutschland auf Grund dessen durchsucht wurde und deren Auto für die nationale Sicherheit aufgebrochen wurde, einen Scheich, der Rehe, Hirsche und Sittiche im Garten hatte, einen Inder, der seit vier Jahren 7 Tage die Woche im Handyladen in Sharjah arbeitet, eine georgische Frau, die alle ihre persönlichen Erinnerungen im Feuer ihres Wohnhauses verloren hatte, Menschen, die uns Obst schenkten, einfach so oder uns einluden, ein georgischer Gemüsehändler, der uns den Gemüseeinkauf schenkte, eine deutsche Familie, die ihre Kinder als Zirkuskinder anmelden musste um keine Probleme mit der Schulpflicht zu bekommen, obwohl sie nur ein halbes Jahr reisen, ein Mann der uns ein Lagerfeuer machte, weil er dachte uns sei kalt und Menschen, die sich im Ausland eine Existenz aufbauen und damit einen super Job machen, wie Sandra und Marty vom Camping 3Gs in Armenien oder ein deutsches Paar im Oman mit ihrer Bungalow Anlange: Roshan Resort.

Und wir trafen auch welche, die genervt haben: wie z.B. Sirus the Virus und Mr. Sarai am Hafen von Bandar Abbas, einen Seabridge Guide der uns als „Alleinefahrer“ bezeichnete, einen Tomatenverkäufer, der uns keine Tomaten verkaufen wollte, die korrupte Polizei in Kirgistan und der turkmenische Präsident, weil seine Augen überall waren.

Und es gibt viele Menschen, denen wir nochmal Danke sagen möchten: Martin und seinem Werkstatt Team für super Arbeit und eine kleine zweite Heimat, mit Kaffee, Katze und Papagei und einer super Außendusche während unseres Werkstatt Aufenthaltes in Dubai, einem Iraner, der uns einfach so eine tolle versteckte Höhle am Stand zeigte, und dem Imam in Usbekistan, der uns eine versteckte Moschee aufsperrte, einem Mann, der merkte, dass uns der Tomatenverkäufer keine Tomaten verkaufen wollte und uns einfach ein Kilo seiner Tomaten schenkte, dem netten jungen Paar im Iran, das uns bei sich zuhause zu Tee und Obst einlud, sowie der Familie in Kasachstan, die dasselbe tat und Meiky dankt seiner Gastfamilie in Kasachstan, bei der er viel Zeit verbrachte, während ich 10 Tage in Deutschland war. Und der Guide Farnod in Isfahan, mit dem wir einen wirklich schönen und informativen Tag verbrachten. Und ein besonderer Dank gilt auch noch den Jungs in den Emiraten, die uns einfach in ihr Wüstenlager einluden, uns ihren Wüstenbuggy ausliehen und später noch mit uns in die Wüste gefahren sind und dort mit uns über die Dünen sprangen. Hm, das hört sich hier so komisch an: ich meine, sie sprangen mit ihren Autos (und uns darin) über die Dünen und fuhren fast senkrechte Berge hoch. Sie waren richtige Profis und hatten Recht damit als sie sagten: „Wenn dich irgendwer fragt, was das am meisten beängstigende war, was du auf der Reise gemacht hast, dann wirst du sagen: Dunebashing mit den Leuten aus Ajman“ und was soll ich sagen? Er hatte Recht. Aber es machte natürlich auch irgendwie Spaß.

Und? War noch etwas beängstigend? Und ob: der kurze Moment in dem ich und nicht nur meine Stehnachbarin im Ballon über Kappadokien dachten wir würden bei der Landung in eine Hochspannungsleitung crashen… aber…ging ja nochmal gut...

Und der Moment, als ich in Tadschikistan an der afghanischen Grenze entlang fuhr - nur ein Grenzfluss trennte uns- und dort drüben plötzlich ein Toyota Landcruiser mit Maschinengewehr in der Vorrichtung auf der Ladefläche auftauchte… Oh mein Gott, die Taliban!!! (ist man ja doch zu einem bestimmten Anteil von den westlichen Medien geprägt) – Fuß aufs Gas und ab… bis man hinter der nächsten Kurve lächelnd feststellen musste: Afghanistan hat eben auch eine Grenzpatrouille, die hier ab und zu checkt ob Drogenschmuggler sich den Weg durchs Wasser bahnen.

Und natürlich sind wir auch ein bisschen stolz diese Reise gemacht zu haben. Vor allem ich (Micha) bin stolz den Widrigkeiten der Aussagen des Auswärtigen Amtes wiederstanden zu haben (Sorry, aber ist wirklich oft so ein Quatsch was da steht und immer wieder fällt man drauf rein), stolz auch den Medien und der Politik keinen Glauben geschenkt zu haben, die da z.B. behaupten der Iran gehöre zur Achse des Bösen und in Zentralasien würden zehntausende von schlafenden Terroristen leben und es darum gefährlich wäre und uns statt dessen ein eigenes Bild gemacht zu haben von freundlichen, hilfsbereiten Menschen, die alle einfach nur in Frieden leben möchten. Manche aufgeschlossen, manche skeptisch aber neugierig. Bestimmt auch einige die genervt sind von Reisenden oder Touristen. Aber wo gibt es die nicht?

Und Menschen, die keine Angst haben – vor Fremden, die in ihr Land kommen, um es und ihre Bewohner kennenzulernen und das ist es was Menschen wie sie und viele Reisende von einigen anderen Menschen in unserem Land daheim unterscheidet. Keine Angst vor dem und den Unbekannten oder zumindest der Versuch oder das Bemühen diese zu überwinden. Stattdessen wird oft gegen Fremde gewettert und das meist von Leuten, die außer Deutschland noch nichts von der Welt und ihren Bewohnern kennengelernt haben, aber das ist ein anderes Thema. Ich kenne auch Menschen, die Angst haben fremde Länder zu bereisen, weil es ja dort ach so viele Insekten und damit verbundene Krankheiten geben könnte und dabei informieren sie sich nicht mal im Geringsten darüber, ob das in den betreffenden Ländern überhaupt der Wahrheit entspricht. Oder Menschen, die nichts in Frage stellen was die Medien sagen. So fragen wir uns noch immer: woher dieser Glaube kommt: im Iran sei es gefährlich? Weder wir noch andere (und es waren viele) Reisende, die wir trafen können irgendetwas in der Art bestätigen. Klar, es gab auch dort in der Vergangenheit Anschläge. Aber wo auf der Welt gab es die nicht? (außer in Island vielleicht) und natürlich gibt es böse Menschen: überall auf der Welt. Und es gibt Regierungen und Politik, wie z.B. in Turkmenistan, die man einfach nicht für gutheißen kann, aber dafür können die Menschen die dort leben doch nichts. Aber auch das ist wieder ein anderes Thema.

Wir sind stolz den ganzen Papierkrieg davor und danach (wer ist wo, wie versichert und was muss und sollte man weiterzahlen oder kündigen) auf uns genommen zu haben, die Wohnung aus- und eingeräumt zu haben. Und auch die vermeintliche „Lücke im Lebenslauf“ ist manchmal im Kopf nicht so einfach zu handlen.

Auch stolz darauf, nicht abgebrochen zu haben, wenn es uns nicht gut ging oder es einfach auch mal zeitweise „kacke“ war.

Stolz ein bisschen Geld unterwegs verdient zu haben und einige Follower generiert zu haben. Stolz minimalistisch leben zu können, auf Konventionen zu pfeifen und schließlich die Hoffnung mit dem Landy auch wieder bei der Haustüre anzukommen (was ja nach dem verbogenen Chassis in Abu Dhabi nicht ganz so klar war für uns) nie aufgegeben haben.



Booking.com

Kontakt

Hinweis: Bitte die mit * gekennzeichneten Felder ausfüllen.